12″ Vinyl 180g 01/22 20€
1. Augenlider 2:50
2. Formfragen 3:11
3. Unter Leuten 4:02
4. Perspektive 2:58
5. Diese Scheiß Welt 3:25
6. Anwohner:in 2:09
7. Flammen 2:59
8. Raumschiff 3:44
9. P.I.F.S. 1:44
10. Ich trink mit dir wohin du willst 2:48
11. Runde Schuhe 3:08
Im Gewühl der Post-Post-Moderne erscheinen eigene Gefühle nichtig und klein. Dem entgegen stellen sich Spröde Lippen mit ihrem neuen Album. Das Große Ganze sichtbar zu machen ist das Ziel, gewohnt gestolpert ist die Umsetzung. Gewohnt ungewohnt hingegen ist die Erweiterung des künstlerischen Repertoires in Richtung Pophymnen – fast-schon-Smash-Hits wie „Augenlider“ geben sich auf 100 mit sprödesten Kompositionen die Klinke in die Hand.
Ich würd so gern mit 100 reagieren: Wo der Neoliberalismus nur ein „ich will“ (höflich auch: „ich möchte“) schreit, verlassen Spröde Lippen den Pfad des Wollens. Zwischen und auch auf den Zeilen taumelt dubioses Sprachgefühl durch verwilderte Detailreiche. Es geht nie um die Eindeutigkeit des Wunsches – das Herauspressen der Haltung ist das Einzige, was ist und jemals bleibt.
In schwerwiegender, fast schon stoischer Repetition hangelt sich die Band durch bewegliche Bilder, Schnipsel und Schlaglichter, ohne dabei humorlos oder gar zynisch zu werden. Storykonstruktionen bauen sich auf, um im schönsten Moment wieder fallen gelassen zu werden. Gespielt wird im Loop, doch das Delay ist nicht in sync. Mit ihrem Gestus eines freundlich vorgetragenen „Verpisst euch“ nähern sich Spröde Lippen mehr denn je dem aktuellen Geschehen an, ohne dabei nur ansatzweise Zeitgeist zu sein.
Sie geben lieber in ungeplanter Leichtigkeit ihre kryptischen Antworten auf immer dagewesene Fragen zum Besten. Die Band ist immer komplex – ohne dabei unverständlich zu sein. Was ist und was darf heute die eigene Digitalemotion sein? Der Wunsch ist es nicht, die anderen sind es irgendwie auch nicht. Genug der Philosophie! Auswege bietet dieses Album – wenn auch nur für 33 min und 1s oder halt länger mit enabletem Repeatbutton.